Im ersten Licht des Schöpfungsmorgens hielt Gott der Vater sein Alabastergefäß in der Hand.Es schimmerte mit der Schönheit des Morgensterns und verströmte den Duft der Rose von Saron. Es war das Kostbarste was der Vater besaß. Während seien allwissenden Augen die Jahre überblickten, die sich vor ihm erstreckten und zu Generationen, Jahrhunderten und Jahrtausenden wurden, wusste er was auf ihn zukommen würde.
Der Vater schlüpfte in das Dunkel der Welt hinab, die er geschaffen hatte und unendlich liebte. Die Hände , die das Gefäß mit solch zarter, ewiger Liebe umschlossen, öffneten sich, als er es mit großer Sanftheit auf das kleine Heubettchen in der Krippe legte. In den Jahren, die nun folgten, wurden die Schönheit und die Pracht des Gefäßes, von allen die Augen hatten zu sehen, wahrgenommen und bewundert.
Und dann hob der Vater mit zitternden, aber sicheren Händen sein Alabastergefäß erneut hoch. Auf einem Hügel, weit weg von seiner himmlischen Heimat - einem kahlen, trostlosen Hügel, auf dem es von wütenden Menschenmassen, die unkontrollierbar und obszön waren, wimmelte - , zerbrach der Vater sein Alabastergefäß an einem rohen Holzkreuz. während der Inhalt aus Fleisch und Blut ausgegossen wurde und der Duft seiner göttlichen Liebe für immer die Menschheitsgeschichte durchdrang, waren unsere Tränen auf seinem Gesicht.
Saras Vase
"Ich habe eine neue Schülerin", berichtete uns meine Frau von ihrer Sonntagsschulklasse. "Sara heißt sie. Ihre Familie ist erst vor kurzem zugezogen." Seitdem versorgte uns meine Frau reichlich mit lustigen Geschichten über Klein-Sara. die Zweitklässlerin sprühte vor Energie und glänzte vor allem, wenn es darum ging Unfug zu treiben. Zum Montag-Abendessen servierte und meine Frau immer die "neuesten Sara-Nachrichten". jeder in der Gemeinde schien sie zu mögen. Sie war einfach ein Kind, das man mögen musste.
Eines Sonntags ging es in der Kinderstunde darum, sich nützlich zu machen und zu helfen. Meine Frau erklärte: "Jeder kann etwas Nützliches tun! Wenn du etwas Nützliches tust, dienst du Gott, und das ist sehr ehrenswert!" Die Kinder lauschten ganz aufmerksam. Nach der Lektion schwiegen sie für einen Moment. Sara unterbrach die Stille. In ihrer lieben Art fragte sie sanft: „Frau Lehrerin, was kann ich Nützliches tun? Ich glaube, ich kann nicht viel Nützliches.“
So einen Gedanken hatte meine Frau nicht erwartet. Deshalb schaute sie sich schnell um und schaute nach einer passenden Idee. Da entdeckte sie eine kleine Vase auf der Fensterbank und schlug vor: „Sara, du kannst eine Blume mitbringen und sie in die Vase stellen. Das wäre eine nützliche Sache.“
Nachdenklich antwortete Sara: „Aber das ist nichts nützliches.“ „Oh doch“, sagte meine Frau. „Alles was wir tun um jemanden zu helfen, ist nützlich und wichtig!“
Am nächsten Sonntag brachte Sara eine Löwenzahnblüte und stellte sie in die Vase. Von da an tat sie das jeden Sonntag. Ohne irgendwelche Erinnerung oder Hilfe kümmerte sie sich darum, dass eine Blume in der Vase stand.
Meine Frau erzählte das dem Pastor, und am folgenden Sonntag platzierte er die Vase neben die Kanzel auf die Empore. In seiner Predigt redete er darüber, welch Ehre es ist, anderen zu dienen und benutzte Saras Vase als Beispiel. Die Gemeinde reagierte sehr positiv auf die Predigt, und die Woche fing gut an.
Tragische Nachrichten
Ich bin Kinderarzt. Durch diesen Beruf habe ich eine Abneigung gegen Telefonanrufe entwickelt. Immer wieder kommt ein ungutes Gefühl in mir auf, wenn das Telefon klingelt. Während dieser Woche rief mich Saras Mutter an. „Sara verhält sich so anders“, erklärte sie mir, „Sie wirkt kraftlos und hat keinen Appetit.“ Ich beruhigte die Mutter und sagte: „Bring sie gleich morgen in meine Praxis“
Nach den üblichen Tests und ein paar Tagen der Bewertung saß ich in meinem Büro mit Saras Unterlagen auf meinem Schoss. Die Ergebnisse waren Tragisch. Auf meinem Heimweg fuhr ich bei Saras Eltern vorbei, um ihnen die traurige Nachricht persönlich zu überbringen: Saras Gene und die Leukämie waren eine schreckliche Mischung. Während wir am Küchentisch saßen, gab ich mein Bestes, um ihnen zu erklären, dass wir Saras Leben nicht retten könnten.
Ich glaube, dieser Abend war der schwierigste meines Lebens. Saras Mutter schaute mir direkt in die Augen. Tränen liefen über ihre Wangen. „Wie kann das passieren?“, fragte sie. „Warum würde Gott das zulassen?“
Als Arzt versuchen wir, Leben zu retten. Manchmal wünschte ich mir sogar, mein Leben für meine Patienten geben zu können – besonders, wenn die Patienten so liebenswert sind wie Sara. Aber manchmal, wenn es medizinisch keine Hilfe gibt, ist das tragische Ende nur eine Frage der Zeit, falls Gott kein Wunder tut. Sara stand so ein Ende bevor. So ein kostbares Leben soll in Schmerz und Angst ausklingen. Es war sehr schwierig, nicht Gottes Güte in Saras Leben anzuzweifeln.
Schnell verschlechterte sich Saras Zustand. Bald lag sie nur noch im Bett, und ihre Kontakte waren beschränkt auf Besucher. Viele Leute, die sie sehr liebten, kamen vorbei. Doch Sara verlor ihr Lachen und viel Gewicht. Und dann kam ein weiterer Anruf: „Könntest du bitte kommen?“, bat mich Saras Mutter. Ich ließ alles stehen und liegen und eilte zu ihr. Da lag sie, ein kleines Häufchen Elend, das sich kaum noch bewegte. Nach einer kurzen Untersuchung, wusste ich, dass Sara diese Welt bald verlassen würde. Ich riet ihren Eltern, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen.
Der letzte Besuch.
Das war an einem Freitagnachmittag. Am Sonntag begann der Gottesdienst wie immer: Lieder singen, Predigt – all das schien mir bedeutungslos, wenn ich an Sara dachte. Traurigkeit ergriff mein Herz, während ich still auf der Kirchenbank saß. Als dann die Predigt zu Ende ging, hörte der Pastor auf einmal auf zu sprechen. Seine Augen schauten gebannt auf die Tür am hinteren Teil der Kirche. Seine Augen starrten in völliger Verwunderung dorthin. Alle drehten sich um. Jeder wollte sehen, was den Pastor so erstaunte. Es war Sara. Ihre Eltern hatten sie hergebracht. Ihr letzter Besuch. Sie hatten sie in Decken gewickelt und in ihrer kleinen Hand hielt sie eine Löwenzahn-Blüte.
Sie setzte sich nicht in die hinterste Reihe. Stattdessen fing sie an, langsam auf die Kanzel zuzulaufen, wo noch immer ihre Vase stand. Sie stellte die Blume in die Vase und legte einen kleinen Zettel daneben. Dann drehte sie sich um und ging zurück zu ihren Eltern. Alle die zusahen, wie Sara ihre letzte Blume in die Vase stellte, waren zutiefst bewegt. Am Ende des Gottesdienstes kamen viele zu Sara und ihren Eltern und versuchten, irgendwie Unterstützung anzubieten. Ich konnte es kaum noch ertragen.
Der kleine Zettel
Vier Tage später starb Sara. Ich sagte alle Termine ab, saß an meinem Schreibtisch und dachte an sie uns ihre Eltern. Das alles tat so weh! Ich erinnerte mich an all die lustigen Geschichten, die meine Frau erzählt hatte. Saras süße Stimme klang immer noch in meinem Ohr. Ich erinnerte mich an den Anruf ihrer Mutter, der so viel Traurigkeit mit sich brachte. Tränen füllten meine Augen. Verzweifelt versuchte ich, nicht Gottes Güte in Frage zustellen, obwohl er zugelassen hatte, dass Sara auf so eine schreckliche Weise sterben musste.
Nach der Beerdigung bat mich mein Pastor, kurz mit mir sprechen zu können. Ich war überrascht darüber. Das hatte ich nicht erwartet. Während des Gesprächs standen wir am Friedhof nahe bei unseren Autos, und viele Leute gingen an uns vorbei. Mit leiser Stimme sagte er: „David, ich habe etwas, das du sehen solltest“. Dann zog er das Zettelchen aus seiner Tasche, das Sara an die Vase gestellt hatte. Er reichte mir das Stück Papier und meinte: „Das solltest du besser behalten. Es könnte dir auf deinem Berufsweg helfen“. Ich nahm das gefaltete Stück Papier und öffnete es, um zu lesen, was Sara geschrieben hatte.
Mit einem pinken Stift hatte Sara zu Papier gebracht: „Lieber Gott, diese Vase war die größte Ehre meines Lebens. Sara“
Saras kleiner Zettel und ihre Vase haben mir geholfen, einiges besser zu verstehen. Ich verstehe natürlich längst nicht alles. Aber ich verstehe jetzt: Unser Leben ist eine Möglichkeit, Gott zu dienen, indem wir Menschen dienen. Und wie Sara es sagte: das ist die größte Ehre in jedem Leben.
Autor: David Cerqueira
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Der Reisende und das Kamel
Ein Reisender hatte sein Zelt aufgeschlagen, um darin auszuruhen; plötzlich aber wurde er durch ein Kamel erschreckt, welches mit lautstarkem Getön seine Nase durch die Spalte des Eingangs steckte: „Es ist sehr kalt hier draußen“, jammerte das Kamel, „ich möchte nur eben meine Nase durch die Spalte in dein Zelt hineinstecken.“ – Der Reisende war ein gutmütiger Mann und erlaubte dies gern. So blieb denn die Nase drin. Aber einige Minuten später stöhnte das Kamel aufs Neue: „Der Wind bläst sehr scharf; bitte lass mich auch meinen Nacken ins Zelt schieben.“ Auch diese Bitte wurde gewährt, und der Hals kam herein.
Wenig später klagte das Kamel: „Wie heftig es zu regnen beginnt, ich werde durch und durch nass, darf ich meine Schulter nicht auch unterbringen?“ Auch dies wurde gestattet, und so forderte das Kamel nach und nach immer ein wenig mehr, bis es zuletzt ganz drinnen war. Bald aber fühlte sich der Reisende von dem rauen Gesellen belästigt, denn der kleine Raum im Zelt war eben nicht groß genug für beide, und so bat er das Kamel höflich, nachdem der Regen aufgehört hatte, das Zelt wieder zu verlassen. Damit hatte er sich allerdings an den Falschen gewandt. „Wenn es dir nicht behagt, dass wir beide hier sind, so kannst du ja gehen“, erwiderte das dreiste Tier mürrisch, „was mich betrifft, so fühle ich mich hier ganz wohl und werde auf alle Fälle hier bleiben.“
Können wir nicht auch manches aus dieser Geschichte lernen? Liegt nicht auch vor unserer Herzenstür ein Kamel, das beständig anklopft und Einlass begehrt? Es kommt anfangs ganz leise und bittet: „Lass mich ein!“ – anfänglich nur ein ganz klein wenig. Zuerst scheint es dann auch zufrieden, wenn nur die Nase Einlass findet. Aber es dauert nicht lange. Nach und nach nimmt es ganz und gar von unserem Herzen Besitz und will es allein haben. Es ist ein bekanntes und nur zu wahres Sprichwort: „Gibt man dem Teufel den kleinen Finger, so will er bald die ganze Hand.“
„Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“ (Johannes 8,34)
Darum lass dich nicht gelüsten; halte nichts für Kleinigkeiten, fliehe auch der Notlüge! Zum Guten muss man sich zwar fast immer zwingen, aber schlechte Gewohnheiten setzten sich leicht fest. Hüte dich vor dem Anfang der Sünde! Hat die Sünde erst von uns Besitz genommen, so will sie auch bald allein Herr sein, und dieser Herr erweist sich schnell als der ärgste Tyrann dieser Welt.